Ewiger Widerspruch – die unterschätzte Chance für Lebens- und Rentenversicherte

Ewiger Widerspruch – die unterschätzte Chance für Lebens- und Rentenversicherte - Dr Thomas Schulte

Warum Millionen Deutsche ihre alte Lebens- oder Rentenversicherung auch Jahrzehnte nach Vertragsabschluss noch rückabwickeln könnten – und weshalb jetzt juristischer Weitblick gefragt ist.

Über Jahrzehnte galt die private Lebens- und Rentenversicherung als unerschütterliche Säule der Altersvorsorge. Ältere Generationen, geprägt von den Schrecken der Geldentwertung in den Nachkriegsjahren, rieten ihren Kindern und Enkeln: „Mach eine Lebensversicherung, das ist das Sicherste im Alter.“ Für viele war sie mehr als eine Finanzanlage – sie war ein Symbol für Stabilität, Verlässlichkeit und Vermögenserhalt.

Doch die Realität im Jahr 2025 sieht anders aus: Sinkende Renditen, teure Abschlusskosten und eine Reihe wegweisender Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) haben das Fundament dieses Finanzklassikers ins Wanken gebracht. Die juristische Sprengkraft: Viele alte Policen – selbst wenn sie längst gekündigt oder ausgezahlt wurden – können unter bestimmten Umständen rückabgewickelt werden.

BGH und EuGH: Das Recht auf den „ewigen Widerspruch“

Das juristische Instrument, das Versicherungsnehmern jetzt neue Chancen eröffnet, ist der sogenannte „ewige Widerspruch“.
Der BGH hat in den Urteilen IV ZR 76/11 (2014) und IV ZR 384/14 (2015) entschieden:
Wer zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 eine private Kapitallebens- oder Rentenversicherung abgeschlossen hat, kann – bei fehlerhafter oder fehlender Belehrung über das Widerspruchsrecht – auch Jahrzehnte später noch widersprechen.

Der EuGH bestätigte diesen Grundsatz und präzisierte in seinem Urteil vom 19. Januar 2019 (Az. C‑355/18 bis C‑357/18 und C‑479/18): Das Widerspruchsrecht bleibt zeitlich unbegrenzt bestehen, wenn der Versicherungsnehmer nicht korrekt über seine Rechte informiert wurde – und zwar so gravierend, dass er sein Rücktrittsrecht nicht unter vergleichbaren Bedingungen wie bei einer korrekten Belehrung ausüben konnte.

Widerspruch für Verbraucher - Dr Thomas Schulte

Das juristische Problem:
Die Beweislast liegt beim Versicherungsnehmer. Das heißt, er muss nachweisen, dass die Belehrung falsch, unvollständig oder gänzlich unterblieben ist. Hier ist präzise juristische Arbeit gefragt – und ohne erfahrenen Rechtsanwalt sind die Erfolgsaussichten gering.

Der finanzielle Unterschied: Kündigung oder Widerspruch

Der Unterschied zwischen einer einfachen Kündigung und einem erfolgreichen Widerspruch könnte für Versicherungsnehmer kaum größer sein – und er entscheidet oft über viele tausend Euro. Wer seine Lebens- oder Rentenversicherung in der Vergangenheit einfach beendet hat, musste sich in der Regel mit dem sogenannten Rückkaufswert zufriedengeben. Dieser fällt meist ernüchternd aus, weil die Versicherung zuvor satte Abschluss- und Vertriebskosten sowie laufende Verwaltungsgebühren abzieht. So bleibt am Ende oft deutlich weniger übrig, als über die Jahre eingezahlt wurde.

Ganz anders die Situation beim Widerspruch: Wird eine fehlerhafte oder unzureichende Belehrung nachgewiesen, muss die Versicherung sämtliche eingezahlten Beiträge in voller Höhe erstatten – ohne Abzüge für Abschluss- oder Verwaltungskosten. Und damit nicht genug: Zusätzlich steht dem Versicherungsnehmer ein Nutzungsersatz zu, also die Zinsen oder Gewinne, die das Unternehmen in der Zwischenzeit mit dem Kapital erwirtschaftet hat.

Wie gewaltig dieser Unterschied sein kann, zeigt ein Beispiel aus der Praxis: Ein Kunde hatte zwischen 1998 und 2010 insgesamt 24.000 Euro in seine Police eingezahlt. Nach einer regulären Kündigung bot ihm die Versicherung lediglich 14.500 Euro Rückkaufswert. Nach erfolgreichem Widerspruch – gestützt auf den Nachweis einer fehlerhaften Belehrung – erhielt er jedoch nicht nur die vollen 24.000 Euro zurück, sondern zusätzlich 5.800 Euro Nutzungsersatz. Im Endeffekt bedeutete das einen Mehrerlös von stolzen 15.300 Euro. Für viele Verbraucher ist genau diese Differenz der entscheidende Grund, ihren alten Vertrag noch einmal juristisch prüfen zu lassen.

Warum gerade die Babyboomer jetzt betroffen sind

Die Babyboomer-Generation – Jahrgänge zwischen 1955 und 1969 – hat in den 80er-, 90er-Jahren und frühen 2000ern massenhaft Lebens- und Rentenversicherungen abgeschlossen. Damals galten Garantiezinsen von 3,25 bis 4 Prozent als unschlagbar, und die steuerfreie Auszahlung machte die Produkte besonders lukrativ.

Jetzt, zwischen 2025 und 2035, laufen diese Policen in großem Stil aus. Doch statt der versprochenen Summen erleben viele die Ernüchterung: Aus einst prognostizierten 100.000 € werden plötzlich nur 60.000 oder 70.000 €. Die Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität ist enorm – und der Widerspruch oft die einzige Chance, einen Teil dieser Lücke zu schließen.

Dr. Thomas Schulte: „Das ist eine historische Korrektur“

Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte, Vertrauensanwalt im Bereich Verbraucherschutz, sieht in den Urteilen eine seltene Gelegenheit: „Verbraucher haben jahrzehntelang zu wenig Rückkaufswert erhalten. Das Recht auf den ewigen Widerspruch ist keine juristische Spitzfindigkeit, sondern eine historische Korrektur. Es gibt Menschen die Chance, verlorenes Kapital zurückzubekommen – selbst Jahre nach Vertragsende.“

Doch er warnt: „Es reicht nicht, einfach einen Musterbrief zu schicken. Die Erfolgsaussichten hängen von der genauen Vertragsprüfung ab – und vom Nachweis einer gravierenden Belehrungsfehlerhaftigkeit.“

Hürden und Risiken – Was Versicherungsnehmer unbedingt beachten müssen

So verlockend die Aussicht auf eine lukrative Rückabwicklung einer Lebens- oder Rentenversicherung auch ist – der Weg dorthin ist oft steinig und voller Fallstricke. Zunächst liegt die Beweislast beim Versicherungsnehmer: Er muss nachweisen, dass die Widerspruchs- oder Widerrufsbelehrung in seinem Vertrag fehlerhaft oder unvollständig war. Das klingt einfacher, als es ist, denn nicht jede formale Unschärfe reicht aus. Es braucht einen klaren juristischen Beleg, dass der Versicherer seine Informationspflichten so gravierend verletzt hat, dass das Widerspruchsrecht gar nicht oder nur eingeschränkt ausgeübt werden konnte.

Hinzu kommt die rechtliche Komplexität solcher Verfahren. Viele Versicherer wehren sich vehement – selbst dann, wenn die Rechtslage für den Verbraucher günstig erscheint. Ein Widerspruch wird oft pauschal zurückgewiesen, in der Hoffnung, dass der Kunde den aufwändigen und kostenintensiven Rechtsweg scheut. Wer in dieser Phase nicht aufgibt, steht schnell vor der nächsten Hürde: Ohne Einigung droht ein Gerichtsverfahren mit hohem Prozesskostenrisiko. Bei oft fünfstelligen Streitwerten können allein die Anwalts- und Gerichtskosten erheblich sein, wenn man den Prozess verliert.

Deshalb ist es umso wichtiger, frühzeitig zu prüfen, ob eine Rechtsschutzversicherung greift. In den meisten Fällen deckt sie Streitigkeiten rund um Versicherungsverträge ab – eine wertvolle Absicherung, um das finanzielle Risiko eines Prozesses zu minimieren. Wer diese Fragen vor dem ersten juristischen Schritt klärt, verschafft sich nicht nur Planungssicherheit, sondern auch die notwendige Verhandlungsstärke gegenüber der Versicherung. Hier entscheidet oft die richtige Vorbereitung über Erfolg oder Misserfolg.

Der richtige Fahrplan – so holen Sie das Maximum aus Ihrer Lebens- oder Rentenversicherung heraus

Wenn Sie vermuten, dass Ihre Lebens- oder Rentenversicherung fehlerhaft belehrt wurde, ist jetzt der Moment, strukturiert und strategisch vorzugehen. Der erste Schritt: Lassen Sie Ihren Vertrag von einem spezialisierten Rechtsanwalt prüfen. Dabei geht es nicht nur um den Zeitraum des Vertragsabschlusses, sondern vor allem um die genaue Formulierung und Vollständigkeit der Widerspruchsbelehrung. Jede juristische Nuance kann hier den Ausschlag geben.

Sichern Sie anschließend Ihre Beweislage, indem Sie alle Originalunterlagen oder hochwertige Kopien sorgfältig archivieren. Nur so können Sie im Streitfall belegen, was Ihnen bei Vertragsabschluss tatsächlich vorgelegt wurde.

Denken Sie auch wirtschaftlich: Prüfen Sie, ob Ihr Vertrag einen hohen Garantiezins enthält oder ob wertvolle Zusatzversicherungen wie eine Berufsunfähigkeitsabsicherung integriert sind. Diese Punkte müssen in die Entscheidung einfließen, ob sich ein Widerspruch oder eine andere Form der Beendigung wirklich lohnt.

Bevor Sie den Klageweg einschlagen, kann es sinnvoll sein, außergerichtliche Verhandlungen mit der Versicherung zu führen. Mit einer starken juristischen Argumentation lassen sich hier oft schnelle und wirtschaftlich attraktive Vergleiche erzielen.

Sollte es dennoch zu einem Prozess kommen, gilt: Klage nur mit klarer Strategie. Lassen Sie Kosten, Erfolgsaussichten und mögliche Risiken von Ihrem Anwalt detailliert kalkulieren. Wer diesen Fahrplan konsequent umsetzt, erhöht die Chancen erheblich, am Ende nicht nur Recht zu bekommen, sondern auch finanziell deutlich besser dazustehen.

Fazit – Ein Weckruf für Millionen Versicherungsnehmer

Die Möglichkeit des ewigen Widerspruchs ist für Millionen Deutsche eine juristische und wirtschaftliche Chance – besonders für die Babyboomer, deren Policen jetzt auslaufen. Die Generation, die von Eltern und Großeltern noch eindringlich vor Geldentwertung gewarnt wurde, könnte nun selbst Opfer einer schleichenden Vermögensvernichtung werden – wenn sie nicht handelt.

Wer heute nicht prüft, ob sein Vertrag fehlerhaft belehrt wurde, könnte auf tausende Euro verzichten, die ihm rechtlich zustehen.

Kontakt:

Rechtsanwaltskanzlei Dr. Thomas Schulte
Malteserstraße 170
12277 Berlin

Telefon: +49 30 221922020
E-Mail: dr.schulte@dr-schulte.de

Die Kanzlei Dr. Schulte Rechtsanwälte ist seit 1995 erfolgreich zivilrechtlich schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Internets-, Reputations- und Wettbewerbsrecht tätig. Sie vertritt bundesweit die Interessen einzelner Anleger. Ergänzende Absenderangaben mit dem Kanzleistandort finden Sie im Impressum auf der Internetseite www.dr-schulte.de.

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