Die deutsche Versicherungslandschaft steht vor einer juristischen Zäsur, die das Potenzial hat, Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher finanziell zu entlasten – und die Branche nachhaltig zu verändern. Immer deutlicher zeigt sich: Zahlreiche Lebens- und Rentenversicherungsverträge, die zwischen den 1990er-Jahren und Mitte der 2010er-Jahre abgeschlossen wurden, könnten rückabgewickelt werden. Dabei geht es nicht um Kleinstbeträge – Rückzahlungen im fünf- und sechsstelligen Bereich sind keine Seltenheit.
Historischer Kontext und juristischer Sprengstoff
Seit Jahren kritisieren Verbraucherschützer, dass viele Versicherungsverträge fehlerhafte Widerrufsbelehrungen enthalten oder die Transparenzanforderungen des EU-Rechts nicht erfüllen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer Reihe von Urteilen (z. B. BGH, Urteil v. 7. Mai 2014, Az. IV ZR 76/11) klargestellt, dass solche Mängel zu einem „ewigen Widerrufsrecht“ führen können. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Linie gestärkt und in Urteilen wie „C-355/22“ hervorgehoben, dass nationale Fristenregelungen EU-Verbraucherschutzstandards nicht unterlaufen dürfen.
Die Parallele zum Dieselskandal ist offenkundig: Auch dort wurde lange gezögert, bis Gerichte eindeutig zugunsten der Verbraucher entschieden. Jetzt könnte sich die Lebens- und Rentenversicherungsbranche in einer ähnlichen Lage wiederfinden – mit einer Welle von Rückabwicklungen, die das Geschäftsmodell ins Wanken bringt.
Die Rolle von Sven Enger – Insider gegen das System
Sven Enger, Geschäftsführer der Auxinum GmbH und ehemaliger Vorstand mehrerer Lebensversicherer, kennt die Mechanismen der Branche aus dem Innersten. Seine Einschätzung ist deutlich: „Das System funktioniert nur zum Nachteil der Kunden.“ Aus dieser Überzeugung hat er die Seiten gewechselt und unterstützt heute Verbraucher bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Mit der Auxinum hat er ein Netzwerk geschaffen, das nicht nur juristische Schritte einleitet, sondern auch umfassende Aufklärung betreibt – damit Versicherte verstehen, welche Ansprüche ihnen zustehen und wie sie diese erfolgreich geltend machen können.
Enger setzt auf eine breite, solidarische Bewegung, die unabhängig von Politik und Versicherungswirtschaft arbeitet. Sein Ziel: Verbraucherinnen und Verbraucher sollen nicht länger passiv auf die Entscheidungen der Konzerne warten, sondern selbst aktiv Verantwortung für ihre finanzielle Zukunft übernehmen.
Gutachten, die den Unterschied machen – Prof. Dr. Schade
Juristische Verfahren stehen und fallen mit fundierten Zahlen. Hier kommt Prof. Dr. Schade ins Spiel, ein renommierter Aktuar, der auf die Prüfung und Berechnung von Rückabwicklungsansprüchen spezialisiert ist. Seine Gutachten haben sowohl außergerichtlich als auch vor Gericht den Unterschied gemacht – oft mit dem Ergebnis, dass Versicherte ihre eingezahlten Beiträge zuzüglich Nutzungsersatz zurückerhalten.
Die Gutachten stützen sich nicht nur auf Vertragsanalysen, sondern auch auf mathematische Bewertungen, die belegen, wie hoch die tatsächlichen Verluste durch intransparente Kostenstrukturen und überhöhte Abschlussgebühren waren.
Aktuelle Zahlen – das Ausmaß der Rückabwicklung
Nach Angaben der Verbraucherzentralen könnten in Deutschland mehr als 100 Millionen Policen von fehlerhaften Widerrufsbelehrungen betroffen sein. Schätzungen zufolge belaufen sich die potenziellen Rückzahlungsansprüche auf über 100 Milliarden Euro. Besonders betroffen sind Verträge aus den Jahren 1994 bis 2007, aber auch jüngere Policen stehen juristisch auf dem Prüfstand.
Eine interne Auswertung der Auxinum zeigt, dass Rückzahlungen im Durchschnitt 25 bis 40 Prozent der eingezahlten Beiträge ausmachen – in Einzelfällen sogar mehr. Angesichts der hohen Inflation und der schwachen Renditen klassischer Lebensversicherungen wird die Rückabwicklung für viele Verbraucher zur wirtschaftlich attraktiven Alternative.
EuGH und BGH setzen Maßstäbe – Verbraucherschutz gestärkt
Die Rechtsprechung der letzten Jahre hat die Tür für Rückabwicklungen weit geöffnet. Der BGH hat mehrfach entschieden, dass unklare oder unvollständige Widerrufsbelehrungen den Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang setzen. Der EuGH hat ergänzend klargestellt, dass nationale Gesetzgeber EU-Verbraucherschutzvorgaben nicht verwässern dürfen.
Besonders brisant: In einem Urteil vom 20. April 2023 (EuGH, C-485/21) stellte der Gerichtshof fest, dass Vertragsinformationen klar, verständlich und in einer dem Verbraucher zugänglichen Form bereitgestellt werden müssen. Werden diese Standards nicht erfüllt, kann der Vertrag auch Jahre nach Abschluss noch widerrufen werden – mit voller Rückabwicklungspflicht.
EU-Finanzmarktrichtlinien im Fokus: Transparenz als Baustein für Rückabwicklungen
Die europäischen Finanzmarktrichtlinien wirken wie ein juristisches Seismograf, das tektonische Verschiebungen in der Versicherungswelt anzeigt – und zwar mit spürbaren Folgen für Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher. Mit der Insurance Distribution Directive (IDD) hat die EU seit 2018 klare Spielregeln eingeführt, die Versicherer verpflichten, ihre Produkte nicht nur transparent, sondern auch im Einklang mit den individuellen Bedürfnissen ihrer Kunden zu gestalten. Das klingt trocken, ist in der Praxis aber brisant: Jede fehlende oder unzureichende Aufklärung zu Kosten, Risiken oder Alternativen kann heute die juristische Grundlage für eine Rückabwicklung einer Lebens- oder Rentenversicherung bilden. Die IDD verpflichtet zu eindeutigen Informationen, zur Offenlegung von Interessenkonflikten und – seit 2021 – sogar zur Abfrage von ESG-Präferenzen. Wer also eine Police vermittelt hat, ohne die Nachhaltigkeitsvorstellungen des Kunden zu dokumentieren, steht nun angreifbar da. Genau hier setzen Experten wie Sven Enger und Prof. Dr. Schade an: Sie prüfen Altverträge an den strengeren Maßstäben der Richtlinie, um nachzuweisen, dass das Produkt nie den rechtlichen Anforderungen genügte. Und die Gerichte? Auch der BGH hat in mehreren Urteilen betont, dass europäische Verbraucherschutzvorgaben unmittelbar in die Vertragsprüfung einfließen müssen, während der EuGH wiederholt klarstellte, dass Informationspflichten nicht bloß Formalität sind, sondern Grundpfeiler des Eigentumsschutzes. In einer Zeit, in der EU-weite Transparenz- und Aufklärungspflichten immer detaillierter werden, ist die Rückabwicklung von Versicherungen nicht mehr nur ein Randphänomen, sondern ein sich ausbreitendes juristisches Spielfeld – und für viele Betroffene der Schlüssel, verlorenes Kapital zurückzugewinnen.
Der Blick nach vorn – eine mögliche Welle wie im Dieselskandal
Die Parallelen zum Abgasskandal sind nicht nur juristisch, sondern auch gesellschaftlich relevant. Damals führte eine Kombination aus beharrlicher anwaltlicher Arbeit, verbraucherfreundlicher Rechtsprechung und öffentlichem Druck zu milliardenschweren Entschädigungen. Sollte sich diese Dynamik auch im Versicherungssektor entwickeln, droht den Anbietern nicht nur ein finanzieller Aderlass, sondern ein massiver Vertrauensverlust.
Sven Enger sieht darin jedoch auch eine Chance: „Wenn wir jetzt handeln, können wir das System von außen reformieren und zu einem solidarischen Modell weiterentwickeln.“ Unterstützt von Experten wie Prof. Dr. Schade und einer wachsenden Zahl engagierter Rechtsanwälte, könnte aus der Rückabwicklungswelle eine der größten Verbraucherschutzbewegungen der kommenden Dekade werden.
Fazit: Versicherungswirtschaft am Scheideweg – kann Transparenz den Vertrauensverlust stoppen?
Kann eine Branche, die jahrzehntelang auf der Prämisse fester Versprechen und stiller Verträge aufgebaut war, im Zeitalter schwindender Renditen und wachsender Skepsis bestehen? Die Realität ist unbequem: Lebensversicherungen erzielen systembedingt oft nicht die prognostizierten Erträge und sind auf einen stetigen Zustrom neuer Kund:innen angewiesen – ein Modell, das angesichts der demografischen Entwicklung ins Wanken gerät. Wenn aber das Fundament bröckelt, wie lässt sich dann das Versprechen einer sicheren Altersvorsorge noch glaubwürdig halten? Genau hier setzt der notwendige Wandel an. Transparenz darf nicht länger als Risiko, sondern muss als strategische Verantwortung verstanden werden. Verbraucher:innen wollen verstehen, wie ihr Geld arbeitet, welche Kostenstrukturen dahinterstehen und welche realistischen Auszahlungsprognosen existieren. In Zusammenarbeit mit spezialisierten Dienstleistern kann die Rückabwicklung bestehender Verträge nicht nur finanzielle Schäden begrenzen, sondern sogar signifikant höhere Auszahlungen sichern – ein Schritt, der in vielen Fällen lohnender ist als eine einfache Kündigung oder der Verkauf. Doch wird die Branche bereit sein, diese Offenheit zuzulassen, wenn sie bedeutet, bisherige Geschäftsmodelle zu hinterfragen? Die Antwort auf diese Frage wird darüber entscheiden, ob sich die Versicherungswirtschaft neu erfindet – oder von einem wachsenden Vertrauensverlust überrollt wird.
Autor:
Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt
Kontakt
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte
E-Mail: law@meet-an-expert.com
Pressekontakt
ABOWI UAB
Naugarduko g. 3-401
03231 Vilnius
Litauen
Telefon: +370 (5) 214 3426
E-Mail: contact@abowi.com
Internet: www.abowi.com