Rechtsansprüche und Nutzungsausfallschaden im Verkehrsunfallrecht

Verkehrsunfall- Nutzungsausfall - Deine Rechte als Geschädigter - ABOWI Law

Im Rahmen von Verkehrsunfällen stellt sich häufig die Frage, welche Rechte einem Geschädigten hinsichtlich des Nutzungsausfallschadens zustehen. Dieser Schaden ergibt sich aus der Unmöglichkeit, ein Fahrzeug für einen bestimmten Zeitraum zu nutzen, wenn dieses durch den Unfall beschädigt wurde. Die Rechtslage hierzu ist durch die §§ 249 und 823 BGB sowie § 7 StVG geregelt und wird durch die Rechtsprechung der Gerichte konkretisiert.

Die rechtlichen Grundlagen besagen, dass der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung verpflichtet ist, dem Geschädigten den durch den Verlust der Nutzungsmöglichkeit entstehenden Schaden zu ersetzen. Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der Geschädigte Anspruch auf Wiederherstellung des Zustands, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Dies umfasst auch den Nutzungsausfall, wie der BGH in seinem Urteil vom 18. Februar 2014 (VI ZR 383/12) klarstellte.

Fallbeispiel: Der verlorene Mobilitätszeitraum

Ein fiktives Beispiel verdeutlicht die rechtlichen Grundsätze: Herr Meier ist Eigentümer eines Fahrzeugs, das bei einem Verkehrsunfall erheblich beschädigt wird. Das Fahrzeug ist nicht mehr fahrbereit, und ein Sachverständigengutachten weist einen Totalschaden aus. Der Restwert des Fahrzeugs liegt bei 3.000 Euro, während der Wiederbeschaffungswert auf 12.000 Euro geschätzt wird. Herr Meier kann sich zunächst kein Ersatzfahrzeug leisten und bleibt auf den Nutzungsausfall angewiesen.

Nach dem Unfall kontaktiert Herr Meier die gegnerische Haftpflichtversicherung, um die Regulierung des Schadens anzustoßen. Er weist darauf hin, dass er den finanziellen Schaden nicht vorstrecken kann, was durch die Rechtsprechung gedeckt ist. Der BGH hat mehrfach entschieden, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, zur Schadensminderung einen Kredit aufzunehmen oder seine Ersparnisse einzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2009, VI ZR 54/08).

Berechnung des Nutzungsausfalls

Die Höhe des Nutzungsausfalls bemisst sich nach Tabellenwerten, die den täglichen Ausfall in Abhängigkeit vom Fahrzeugtyp und Alter beziffern. Im vorliegenden Fall liegt der Nutzungsausfall bei 50 Euro pro Tag. Herr Meier hat sein Fahrzeug erst nach 30 Tagen ersetzt, sodass ihm ein Nutzungsausfallschaden in Höhe von 1.500 Euro zusteht. Die gegnerische Versicherung versucht jedoch, den Schaden durch Verweis auf eine angebliche Schadensminderungspflicht zu reduzieren. Sie argumentiert, dass Herr Meier früher hätte handeln können.

Die Gerichte stellen jedoch klar, dass eine Schadensminderungspflicht nur insoweit besteht, wie sie dem Geschädigten zumutbar ist. Laut BGH-Urteil vom 9. Juni 1992 (VI ZR 108/91) ist der Geschädigte weder verpflichtet, auf ein minderwertigeres Fahrzeug auszuweichen, noch ein Interimsfahrzeug zu mieten, wenn dies die Kosten erhöhen würde.

Pflichten und Rechte der Versicherer

Die Haftpflichtversicherung ist verpflichtet, den Schaden zeitnah zu regulieren. Zögert der Versicherer die Zahlung hinaus, trägt er die Verantwortung für die entstehenden Zusatzkosten, wie der BGH in seinem Urteil vom 11. November 2020 (VI ZR 573/19) ausführte. Im Beispiel hätte die Versicherung Herrn Meier auf die Möglichkeit eines Vorschusses hinweisen müssen, um den Schaden zeitnah zu mindern.

Zusammenfassung der rechtlichen Einschätzung

Die Gerichte legen Wert auf eine klare Unterscheidung zwischen der Verantwortung des Geschädigten und der des Schädigers. Der Geschädigte muss sich nicht in unverhältnismäßiger Weise einschränken, um den Schaden zu minimieren. Vielmehr ist es Sache der Haftpflichtversicherung, die finanziellen Mittel für eine zeitnahe Schadensbeseitigung bereitzustellen. Auch wenn der Geschädigte den Ersatz verzögert, ist dies nicht automatisch ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht, sofern er den Versicherer rechtzeitig auf seine begrenzten Mittel hinweist.

Autor: Mgr. Valentin Schulte, Volkswirt B.Sc., stud. jur, 

Kontakt:

Rechtsanwaltskanzlei Dr. Thomas Schulte
Malteserstraße 170
12277 Berlin

Telefon: +49 30 221922020
E-Mail: law@meet-an-expert.com

Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt in Berlin und leitender Vertrauensanwalt des Netzwerks ABOWI Law, unterstützt Sie bei rechtlichen Fragen und Problemen im Bereich digitaler Kommunikation, Vertragsrecht und moderner Missverständnisse. Insbesondere helfen wir bei der rechtlichen Einordnung von WhatsApp-Nachrichten, Emojis und deren Bedeutung in Vertragsverhandlungen. Vertrauen Sie auf unsere langjährige Erfahrung, um rechtssichere Lösungen zu finden und Ihre Interessen zu wahren.

We Produce more Emotion